Postgeschichtliches aus Dudenhofen

-- Werner Stolzenburg --

Postbeförderung war Jahrhunderte, zumindest in unserem Kulturkreis und erst recht im Rodgau, unbekannt. Am Anfang war die mündliche Nachrichtenüberbringung. Mit Erfindung der Schrift, besonders in Klöstern weiterentwickelt und gelehrt, nutzte man für die anfangs noch seltenen Anlässe des Schriftaustausches Boten, die das Schriftstück dem Empfänger direkt überbrachte. Mit größerer Verbreitung der Fähigkeit des Schreibens, stieg auch die Nachfrage an Wegen für die Übersendung von Schriftstücken. Wo dies keine Kostenfrage war, nutze man von alters her den Boten. Manchmal auch eine gefährliche Arbeit, denn neben den Beschwerlichkeiten des Weges wurde dem Boten auch körperliches Leid zugefügt, wenn dem Empfänger die überbrachte Nachricht missfiel. Mancher Nachrichtenüberbringer, so wissen wir aus der Geschichte, wurde wegen nicht genehmer Botschaft sogar getötet.

Eine kostengünstigere Alternative für Nachrichtendienste waren Händler, Metzger und Reisende, die gegen geringes Entgelt mündliche und schriftliche Nachrichten übermittelten. Besonders Händler hatten ihre regelmäßigen Wege, die man für solche Zwecke nutzen konnte. Aber auch einfache Leute, die aus verschiedenen Anlässen von Ort zu Ort zogen, übernahmen solche Dienstleistungen.

Etwa im 15. Jahrhundert kam der Gedanke und sicherlich auch Bedarf die Tätigkeit der Nachrichtenübermittlung gewerbsmäßig zu betreiben

Eine Familie, die diesen neuen Wirtschaftszweig besorgte, war die italienische Familie Tassi (später bekannt unter Thurn und Taxis). Sie bot Kaiser Maximilian I. an, ein kaiserliches Postnetz zu einzurichten. Über die Bequemlichkeit, die eine solche regelmäßige und zuverlässige Postbeförderung sicherstellt, hatte der Kaiser anscheinend die dafür entstehenden Kosten nicht bedacht. Schon bald war er bei den Postlern hoch verschuldet. Diese hielten sich aber durch die gleichzeitige Beförderung Post weiterer Kunden schadlos, was der Schuldner stillschweigend duldete.

Nahezu 200 Jahre lang wurden die Sendungen durch die „reitende Post“ befördert. Dann ersetzte das Thurn und Taxischen Unternehmen nach und nach den reitenden Boten durch Postkutschen. Eine neue Einnahmequelle, denn man konnte neben den Postsendungen auch Personen befördern. Ein ungeheurer Fortschritt, der schnell den erwarteten Zuspruch fand und über 200 Jahre rentabel blieb.

Die nächste Königliche Postagentur war in Seligenstadt. Viele Jahre war Dudenhofen diesem Postbezirk zugehörig und wurde von dort aus versorgt. Regelmäßig kam der Postillon mit der Kutsche in den Ort. Er beförderte Postsendungen und Reisende.

Am 1. Mai 1884 bekam Dudenhofen die erste Postagentur, die dem Wagnermeister Georg Philippp Liller II, Hauptstraße 105, übertragen wurde.

Nach seinem Tode übernahm sein Schwiegersohn Philipp Kratz V. die Poststelle.

Ab dem 16. Mai 1891 übernahm der Landwirt Michael Heberer, Hauptstraße 115, die Postagentur, die schon eine Telefonverbindung nach Babenhausen hatte. Mit der eigenen Postkutsche beförderte Familie Heberer wohl schon vor der Übernahme der Agentur neben dem Postgut auch Reisende.

Mit Einweihung und zunehmender Akzeptanz der der Eisenbahnlinie Offenbach – Reinheim wurde die Postkutsche unrentabel, und Emil Heberer, der den Betrieb mit seiner Tochter geführt hatte, stellte den Fahrbetrieb ein. In der Poststation richtete die Familie Heberer ein Gasthaus ein, eigene Schlachtung mit Metzgerei und der Pension.

Die 1925 gegründete Metzgerei führte der Schwiegersohn Johann Siegler (auch Posthannes genannt). Seither ist die Postkutsche ist das Markenzeichen der Metzgerei Siegler.

Nach dem ersten Weltkrieg erhielt Dudenhofen eine eigene Postagentur, die auch für Nieder-Roden zuständig war. Johann Philipp Walter III, Ludwigstraße 14, übernahm als erster 1918 die Poststelle. Als er ein Auge verlor, übergab er seinem Sohn Ludwig Walter am 1.9.1934 das Amt. Als Assistentin fungierte Frau Köhler. Bis 1961 wurde das Postamt 16 Quadratmeter große Postamt in der Friedberger Straße 28 von ihm geleitet. Die neue Poststelle in der Georg August Zinn Straße 17, die 1961 bezogen wurde, war wesentlich großzügiger ausgestattet, 100 Quadratmeter standen Mitarbeitern und Kunden zur Verfügung.

1980 verlegte man das Postamt Dudenhofen an den Ludwig Erhard Platz 1, im November 2001 in die Mainzerstraße 3 und schon 2004 in die Raiffeisenstraße. Nach viel Kritik kam die Post im August 2005 zurück an den Ludwig Erhard Platz.

Der Postzusteller August Resch

Eine ordentliche Ausbildung hatte er genossen, der Schuhmacher August Resch. Bei der Offenbacher Schuhfabrik Hassia gehörte er zu den Spitzenverdienern mit über 40 Reichsmark Arbeitslohn in der Woche. Aber bei anhaltend schlechter Wirtschaftslage war er einer der ersten, der entlassen wurde. Er hatte als lediger keine Familie zu versorgen. Mit 5,50 Mark Stempelgeld mußte er sich nun stark einschränken und war froh, als er schließlich als Postprivatbediensteter eine Anstellung bekam. Zwar konnte er, inzwischen verheiratet, mit nun einem Wochenlohn von fünfzehn Reichsmark verfügen, aber im Überfluß lebte die Familie nicht davon.

Militärisch ging es zu, erinnerte er sich bei einem Gespräch 1982.  Mit den Worten „Zusteller Resch meldet sich zum Dienst“ oder „Zusteller Resch vom Postgang zurück mußte er beim betreten des Postzimmers zuerst beim Poststellenleiter vorstellig werden.

 

Aber wie sah der Arbeitstag eines Postzustellers in den 30er Jahren aus?

Schon früh am Morgen wie die meisten anderen Bauern und Arbeiter auch, stand August Resch auf, um seinen langen Arbeitstag zu beginnen.

Eine der ersten Amtshandlungen war das Leeren der vier Briefkästen im Ort. und zurück in der Poststube die Postsachen mit dem Tagesstempel zu versehen. Angangs, als die ersten Briefkästen im Ort aufgestellt wurden, war die erste Leerung um 8 .00 Uhr in der Frühe. Aber bald schon stellte sich die Notwendigkeit ein, schon um 6.00 Uhr die Postsachen aus den Kästen zu holen.

Nun mußte de große Postkarren gepackt und zum Bahnhof geschoben werden, denn der 8 Uhr-Zug von Offenbach brachte auch die Postsendungen. Um diese Zeit war der Karren nie besonders voll, denn er schob ja nur die Post mitgenommen, die für die Richtung Richtung Ober-Roden, Dieburg Reinheim und Reichelsheim bestimmt war. Wenn der Zug Verspätung hatte, was besonders im Winter häufiger vorkam, durfte sich Resch im Amtszimmer des Stationsvorstehers aufhalten, was Privatpersonen strengstens verboten war.

Beim Eintreffen des Zuges wurde der Postkarren zum letzen Eisenbahnwagon gerollt, denn der Postwagen war grundsätzlich als letzer Wagen an einem Zug angehängt. Zuerst wurde die Post Ausgeladen; Wertpapiere (unter vier Augen) übergeben, Paketkarten mit den Paketen verglichen und Einschreiben ins Postbuch eingetragen. Gleiches erfolgte mit den abgehenden Sendungen. Nun schob er den Karren zurück zur Postdienststelle.

Einmal im Monat lag die Geldkiste mit den Rentengeldern obenauf. An eine Begleitperson zur Bewachung des Geldes oder der Wertbriefe dachte niemand. Es soll niemals Geld abhandengekommen sein.

In der etwa 16 Quadratmeter großen Poststelle wurden nun die Postgüter sortiert und für die Zustellung vorbereitet. Bevor die Briefe ausgetragen wurden, mußte August resch schnell noch den Postkasten vor dem Postamt leeren und schnell zum Bahnhof radeln, denn der 10 Uhrzug sollte die Briefe mit nach Offenbach nehmen.

Gegen 10.25 Uhr meldete sich Zusteller Resch bei seinem Vorgesetzten zum Postgang ab. Mit einem alten Dienstrad und gefüllter Posttasche machte er sich fröhlich, seine Zigarre paffend auf den Weg durch den Ort.

Da Briefkästen oder Briefschlitze an den Privathäusern sehr selten waren, wurde Briefe unter den „Türschlitz“ durchgeschossen, oder direkt im Haus abgelegt. Oft aber wurden die Postsachen in der Küche übergeben. So gab es kaum jemanden im Ort der einen solch intensiven Einblick in die Familien hatte, wie der Postzusteller. Er brachte freudige und traurige Nachrichten in die Familie, kassierte die Rundfunkgebühren (1932 waren 16 Radios in Dudenhofen gemeldet, 1950 hatten von ca. 2500 Einwohnern etwa 700 ein Radio) ließ sich die Aushändigung von Einschreiben und Wertsendungen quittieren. Und dabei hatte der leidenschaftliche Zigarrenraucher immer einen Stumpen im Mundwinkel. Einmal hielt ein Auto neben dem Zusteller Resch. Ein Postbediensteter in Zivil stieg aus und verbot dem Zusteller das rauchen während der Dienstzeit. Darauf entgegnete ihm August Resch: „Wer mir das Rauchen verbietet, der soll auch meine Post austragen“, aber dazu hatte der Postler aus Offenbach anscheinend keine Lust. So rauchte der Postzusteller weiter, bis zu seiner Pensionierung. Und Anstoß an der Zigarre hat in Dudenhofen offensichtlich niemand genommen.

 

Quellen:
Geisler Adam,  Dudenhofen Chronik   1971
Gesprächsnotizen,  Werner Stolzenburg   1979
Kämmerer Albert,  Ortschronik Dudenhofen   1278-2011
Resch Manfred,  Dudenhofen wie es einmal war  1992
Füßler Richard,  Als die Postkutsche noch durch Umstadt fuhr   1966
Archivunterlagen  Heimat  Geschichte und Kultur in Dudenhofen e.V.

Stand: 21.04.2020

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